Der Forschungsschwerpunkt Wissensmanagement befasst sich mit der
Verbindung von individuellem und organisatorischem Wissen unter Nutzung
der modernen Informationstechnologien (IT). Wissensmanagement als ein
Grundproblem jeder Organisation ist ein genuin interdisziplinäres
Forschungs- und Aktivitätsfeld, das verschiedene Teilgebiete der
Informatik und Wirtschaftsinformatik, der Betriebswirtschaftslehre, der
Psychologie, Pädagogik und der Bibliothekswissenschaften umfasst.
In unseren Forschungsarbeiten gehen wir von einem weiten Begriff von
Wissensmanagement aus und betrachten auch vergleichsweise offene
Systeme wie internetbasierte Informationssysteme und Online-Shops, die
alle verschiedene Arten der Wissenskonstruktion über die auf ihnen
beschriebenen Produkte, Dienste, usw. zum Gegenstand haben. Zwei
aktuell diskutierte Hauptprobleme des Wissensmanagements sind zum
einen, dass vorhandenes Wissen nicht oder nur unzureichend
(wieder)verwendet wird und zum anderen, dass die einzelnen
Organisationsmitglieder zwar über viel Wissen verfügen, dass aber
dieses Wissen nicht automatisch für die Organisation verfügbar ist -
und dieser auch häufig gar nicht bekannt ist, dass solches Wissen
existiert. Die (Mit)Teilung von Wissen (Knowledge Sharing) wurde damit
als zentrales Problem benannt.
Die Betrachtung dieser beiden Probleme wirft eine Reihe von IT- wie
organisationsrelevanten Fragen auf. Zunächst ist nach geeigneten
Darstellungs- und Interaktionsformen zur Unterstützung von
Wissenskonstruktion und Knowledge Sharing zu fragen. Hierbei sind
kognitive Aspekte ebenso zu berücksichtigen wie die Frage nach
geeigneten Anreizsystemen, die nachweisbar zur Teilnahme motivieren.
Dieses beinhaltet für den Nutzer sichtbare Präsentationscodes wie z.B.
die verwendete (natürliche) Sprache und Sprach-/ Bildkombinationen
ebenso wie Informationsarchitekturen und die mediale Interaktion mit
den konzeptuellen Hintergrundwelten eines Wissensmanagementsystems
(WMS).
Hier schließt sich die Frage an, welche Wissensrepräsentationsformen
sich für WMS am besten eignen. Angesichts wachsender und zunehmend
heterogener Dokumentenkollektionen einerseits und der größeren
Leistungsfähigkeit neuer Algorithmen und sogenannter Softwareagenten
andererseits sind hier "hinter den konkreten Dokumenten liegende"
semantische Fundierungen von Interesse, d.h.
Wissensrepräsentationsformalismen des "Semantic Web".
Die bisher angesprochenen Fragen bezogen sich durchweg auf die
Darstellung des - als explizierbar angenommenen - Wissens über die
Objektdomäne des WMS. Dies ist aber nur ein Aspekt eines
funktionierenden WMS. Der andere Aspekt betrifft die Frage, wie
sichergestellt werden kann, dass ein solches System wirklich genutzt
wird. Wir untersuchen, wie eine Explizierung dieser Nutzungsvorgänge
(z.B. durch Visualisierungen der "Nutzungsgeschichte" eines
eingestellten Dokuments) den einzelnen und die Gruppe beim Verständnis
der Wissenskonstruktionsprozesse und der von ihnen abhängigen sonstigen
Arbeitsprozesse unterstützen kann. Hier gibt es auch Querverbindungen
zu dem Forschungsschwerpunkt "Data Mining/Web Mining": Untersuchungen
zur Nutzung von webbasierten WMS kombinieren idealerweise
Mining-Methoden mit weiteren Methoden wie z.B. Fragebogen-Erhebungen.
Beispielsweise untersuchen wir so den Einfluss von Sprache auf das
Verhalten von Internetnutzern. Dies beinhaltet die Analyse von Such-
und Informationsprozessen in einem multilingualen Internet sowie die
Auswirkungen einer fremdsprachlichen (z.B. englischsprachigen)
Gestaltung einer Website auf das Kaufverhalten des Internetnutzers und
seine Wahrnehmung des Kaufrisikos. Ebenso haben wir das Thema
agentengestützter Verkaufsprozesse im E-Commerce untersucht and die
Fragestellung, inwiefern Konsumenten derartig automatisierten
Wissenstechnologien im Kaufprozess Vertrauen schenken.
Die Analyse der Nutzung eines WMS dient im Übrigen nicht nur der
Verbesserung von Arbeitsprozessen, sondern auch der
Wirtschaftlichkeitsanalyse. Ein WMS stellt eine erhebliche Investition
von Personal- und Finanzressourcen dar, die hinsichtlich ihrer
Effektivität und Effizienz fortlaufend evaluiert werden muss, wobei
auch hier wiederum Data-Mining-Methoden zum Einsatz kommen. Die
Teilnehmer eines WMS müssen nicht nur dazu motiviert werden, ihr Wissen
zu externalisieren und mit anderen zu teilen, sondern dieses auch unter
Beobachtung des Vorganges selbst zu tun. Technische wie
organisatorische Bedingungen müssen so gestaltet werden, dass die
Privatsphäre der Nutzer gewahrt bleibt und sie möglichst weitgehende
Kontrolle haben über die selektive Bereitstellung sowohl ihres
individuellen expliziten Wissens als auch des Wissen, das implizit in
den Daten über ihre Nutzungsaktivitäten liegt.
Zum Forschungsschwerpunkt Wissensmanagement gehören schließlich auch
diverse Bemühungen im Umfeld der dynamischen Systeme ("System
Dynamics"). Hier befassen wir uns mit der dynamischen Modellierung von
Rückkopplungssystemen ökonomisch-sozialer Prozesse sowie den
Schnittstellen zwischen Modellen und Daten. Für die Modellierung
volkswirtschaftlicher Prozesse wird die Simulationssoftware "Vensim"
eingesetzt. Eine der Anwendungen betrifft die Untersuchung der
Rentenentwicklung in Deutschland in den nächsten 50 Jahren, auch unter
Berücksichtigung der Rentenreform vom Jahr 2000 ("Riester-Rente") sowie
möglicher "Schockszenarien". Des Weiteren werden im Hinblick auf die
Integration der Simulationssoftware "Powersim" in der
SAP-Softwarelandschaft SEM die Schnittstellen zwischen der
Simulationssoftware und Datenbanken untersucht.
Beteiligte Personen
PD Dr. Hans-Knud Arndt
Prof. Dr. Bettina Berendt
Prof. Oliver Günther, Ph.D.
Anett Kralisch, M.A.
Dr. Sarah Spiekermann
Dr. Gerrit Tamm
PD Dr. Bernd Viehweger
Ausgewählte Publikationen
Arndt, H.-K., Günther, O.: Betriebliche Umweltinformationssysteme
als Knowledge Managementsysteme im Umweltmanagement, in:
UmweltWirtschaftsForum, 9. Jg., Heft 1, S. 64-67, 2001.
Berendt, B., Hotho, A., & Stumme, G.: Towards Semantic Web Mining.
In I. Horrocks & J. Hendler (Eds.), The Semantic Web - ISWC 2002,
Proceedings of the 1st International Semantic Web Conference, June
9-12th, 2002, Sardinia, Italy (pp. 264-278). LNCS, Heidelberg, Germany:
Springer, 2002
Kralisch, A.: Business-Language-Strategien im Internet. Regensburg:
Haus des Buches, 2003
Viehweger, B., Andresen, K., Motzkau, M.: An Intelligent Software
Agent for a Management Game. - In: CCCT 2003 - International Conference
on Computer, Communication and Control Technologies. - Orlando, USA
(2003). - Proceedings, Vol. V, p. 10-14.
Viehweger, B., Jagalski, T.: The Reformed Pension System in Germany -
a System Dynamics Model for the next 50 years (2003). - In: Proceedings
of the 21st International Conference of the System Dynamics Society, p.
128 (and CD-ROM) - New York City, USA (2003)
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