Humboldt-Universität zu Berlin - Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Wissensmanagement

Der Forschungsschwerpunkt Wissensmanagement befasst sich mit der Verbindung von individuellem und organisatorischem Wissen unter Nutzung der modernen Informationstechnologien (IT). Wissensmanagement als ein Grundproblem jeder Organisation ist ein genuin interdisziplinäres Forschungs- und Aktivitätsfeld, das verschiedene Teilgebiete der Informatik und Wirtschaftsinformatik, der Betriebswirtschaftslehre, der Psychologie, Pädagogik und der Bibliothekswissenschaften umfasst.

In unseren Forschungsarbeiten gehen wir von einem weiten Begriff von Wissensmanagement aus und betrachten auch vergleichsweise offene Systeme wie internetbasierte Informationssysteme und Online-Shops, die alle verschiedene Arten der Wissenskonstruktion über die auf ihnen beschriebenen Produkte, Dienste, usw. zum Gegenstand haben. Zwei aktuell diskutierte Hauptprobleme des Wissensmanagements sind zum einen, dass vorhandenes Wissen nicht oder nur unzureichend (wieder)verwendet wird und zum anderen, dass die einzelnen Organisationsmitglieder zwar über viel Wissen verfügen, dass aber dieses Wissen nicht automatisch für die Organisation verfügbar ist - und dieser auch häufig gar nicht bekannt ist, dass solches Wissen existiert. Die (Mit)Teilung von Wissen (Knowledge Sharing) wurde damit als zentrales Problem benannt.

Die Betrachtung dieser beiden Probleme wirft eine Reihe von IT- wie organisationsrelevanten Fragen auf. Zunächst ist nach geeigneten Darstellungs- und Interaktionsformen zur Unterstützung von Wissenskonstruktion und Knowledge Sharing zu fragen. Hierbei sind kognitive Aspekte ebenso zu berücksichtigen wie die Frage nach geeigneten Anreizsystemen, die nachweisbar zur Teilnahme motivieren. Dieses beinhaltet für den Nutzer sichtbare Präsentationscodes wie z.B. die verwendete (natürliche) Sprache und Sprach-/ Bildkombinationen ebenso wie Informationsarchitekturen und die mediale Interaktion mit den konzeptuellen Hintergrundwelten eines Wissensmanagementsystems (WMS).

Hier schließt sich die Frage an, welche Wissensrepräsentationsformen sich für WMS am besten eignen. Angesichts wachsender und zunehmend heterogener Dokumentenkollektionen einerseits und der größeren Leistungsfähigkeit neuer Algorithmen und sogenannter Softwareagenten andererseits sind hier "hinter den konkreten Dokumenten liegende" semantische Fundierungen von Interesse, d.h. Wissensrepräsentationsformalismen des "Semantic Web".

Die bisher angesprochenen Fragen bezogen sich durchweg auf die Darstellung des - als explizierbar angenommenen - Wissens über die Objektdomäne des WMS. Dies ist aber nur ein Aspekt eines funktionierenden WMS. Der andere Aspekt betrifft die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass ein solches System wirklich genutzt wird. Wir untersuchen, wie eine Explizierung dieser Nutzungsvorgänge (z.B. durch Visualisierungen der "Nutzungsgeschichte" eines eingestellten Dokuments) den einzelnen und die Gruppe beim Verständnis der Wissenskonstruktionsprozesse und der von ihnen abhängigen sonstigen Arbeitsprozesse unterstützen kann. Hier gibt es auch Querverbindungen zu dem Forschungsschwerpunkt "Data Mining/Web Mining": Untersuchungen zur Nutzung von webbasierten WMS kombinieren idealerweise Mining-Methoden mit weiteren Methoden wie z.B. Fragebogen-Erhebungen. Beispielsweise untersuchen wir so den Einfluss von Sprache auf das Verhalten von Internetnutzern. Dies beinhaltet die Analyse von Such- und Informationsprozessen in einem multilingualen Internet sowie die Auswirkungen einer fremdsprachlichen (z.B. englischsprachigen) Gestaltung einer Website auf das Kaufverhalten des Internetnutzers und seine Wahrnehmung des Kaufrisikos. Ebenso haben wir das Thema agentengestützter Verkaufsprozesse im E-Commerce untersucht and die Fragestellung, inwiefern Konsumenten derartig automatisierten Wissenstechnologien im Kaufprozess Vertrauen schenken.

Die Analyse der Nutzung eines WMS dient im Übrigen nicht nur der Verbesserung von Arbeitsprozessen, sondern auch der Wirtschaftlichkeitsanalyse. Ein WMS stellt eine erhebliche Investition von Personal- und Finanzressourcen dar, die hinsichtlich ihrer Effektivität und Effizienz fortlaufend evaluiert werden muss, wobei auch hier wiederum Data-Mining-Methoden zum Einsatz kommen. Die Teilnehmer eines WMS müssen nicht nur dazu motiviert werden, ihr Wissen zu externalisieren und mit anderen zu teilen, sondern dieses auch unter Beobachtung des Vorganges selbst zu tun. Technische wie organisatorische Bedingungen müssen so gestaltet werden, dass die Privatsphäre der Nutzer gewahrt bleibt und sie möglichst weitgehende Kontrolle haben über die selektive Bereitstellung sowohl ihres individuellen expliziten Wissens als auch des Wissen, das implizit in den Daten über ihre Nutzungsaktivitäten liegt.

Zum Forschungsschwerpunkt Wissensmanagement gehören schließlich auch diverse Bemühungen im Umfeld der dynamischen Systeme ("System Dynamics"). Hier befassen wir uns mit der dynamischen Modellierung von Rückkopplungssystemen ökonomisch-sozialer Prozesse sowie den Schnittstellen zwischen Modellen und Daten. Für die Modellierung volkswirtschaftlicher Prozesse wird die Simulationssoftware "Vensim" eingesetzt. Eine der Anwendungen betrifft die Untersuchung der Rentenentwicklung in Deutschland in den nächsten 50 Jahren, auch unter Berücksichtigung der Rentenreform vom Jahr 2000 ("Riester-Rente") sowie möglicher "Schockszenarien". Des Weiteren werden im Hinblick auf die Integration der Simulationssoftware "Powersim" in der SAP-Softwarelandschaft SEM die Schnittstellen zwischen der Simulationssoftware und Datenbanken untersucht.

Beteiligte Personen

PD Dr. Hans-Knud Arndt
Prof. Dr. Bettina Berendt
Prof. Oliver Günther, Ph.D.
Anett Kralisch, M.A.
Dr. Sarah Spiekermann
Dr. Gerrit Tamm
PD Dr. Bernd Viehweger

Ausgewählte Publikationen

Arndt, H.-K., Günther, O.: Betriebliche Umweltinformationssysteme als Knowledge Managementsysteme im Umweltmanagement, in: UmweltWirtschaftsForum, 9. Jg., Heft 1, S. 64-67, 2001.

Berendt, B., Hotho, A., & Stumme, G.: Towards Semantic Web Mining. In I. Horrocks & J. Hendler (Eds.), The Semantic Web - ISWC 2002, Proceedings of the 1st International Semantic Web Conference, June 9-12th, 2002, Sardinia, Italy (pp. 264-278). LNCS, Heidelberg, Germany: Springer, 2002

Kralisch, A.: Business-Language-Strategien im Internet. Regensburg: Haus des Buches, 2003

Viehweger, B., Andresen, K., Motzkau, M.: An Intelligent Software Agent for a Management Game. - In: CCCT 2003 - International Conference on Computer, Communication and Control Technologies. - Orlando, USA (2003). - Proceedings, Vol. V, p. 10-14.

Viehweger, B., Jagalski, T.: The Reformed Pension System in Germany - a System Dynamics Model for the next 50 years (2003). - In: Proceedings of the 21st International Conference of the System Dynamics Society, p. 128 (and CD-ROM) - New York City, USA (2003)