Geschichte der Wirtschaftswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin
Die wirtschaftswissenschaftlichen Einrichtungen der heutigen Humboldt-Universität zu Berlin gehörten lange Zeit zu den führenden Institutionen deutscher und auch internationaler Wirtschaftswissenschaften, unterlagen jedoch wie an kaum einer anderen Universität stark wechselnden politischen und gesellschaftlichen Regimen: Deutscher Bund, Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, DDR, und die neue Bundesrepublik. Im Wechsel der Regime haben sich in mehr als 200 Jahren die Wirtschaftswissenschaften ausgehend vom Lehrstuhl für Kameralwissenschaften an der philosophischen Fakultät hin zu einer eigenen Fakultät mit mehreren Teildisziplinen entwickelt.
Die besonderen Umstände des Standorts Berlin verleihen der heutigen Fakultät eine besondere Verantwortung der Geschichtspflege, der mit dieser Aufarbeitung entsprochen wird. Auf diesen Seiten wird die gesamte Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften seit der Universitätsgründung 1810 dargestellt. Struktur und Wandel des Lehrkörpers, der Lehrinhalte, und der Forschungsinhalte stehen dabei im Vordergrund. Diese werden auf dem Hintergrund der Universitätsgeschichte, der Ideengeschichte, aber auch der politischen Geschichte aufgearbeitet. In einer bisher einzigartigen Veranstaltungsdatenbank wurden alle an der Universität sowie an der Handelshochschule gehaltenen Veranstaltungen und Dozenten dokumentiert.
Die besondere Geschichte dieser Fakultät erlaubt es Aufschlüsse zur Geschichte der Wirtschaftswissenschaften zu geben, die keine andere Institution geben kann. Vor allem das Ringen um gesellschaftliche Relevanz einerseits und um wissenschaftliche Autonomie andererseits wurde hier in Berlin wie an keiner anderen Universität auf verschärfte Weise ausgetragen. Das Interesse, an gesellschaftlichen Veränderung Teil zu haben, hat sich seit den Zeiten des Historismus über den Nationalsozialismus und die DDR durchgehalten und sich zugleich in mehren Formen der Theoriefeindlichkeit geäußert. Methodendiskussionen waren daher stets formativ für die Identität der Fakultät. Angesichts der Wandlungen der Fakultät kann die Besonderheit der Berliner Wirtschaftswissenschaften jedoch nicht in einem sich durch die Geschichte gehaltenes „Profil“ der Forschung oder Lehre gesucht werden. Die Besonderheit dieser Institution liegt vielmehr in ihrem stetigen Ringen um ihre Aufgabe, die es uns erlaubt die heutige Institution, und die Aufgaben, die an sie gestellt werden, im Lichte ihrer vielfältigen Geschichte besser verstehen zu können.
Wer waren die Wirtschaftswissenschaftler an dieser Fakultät? Mit welchen Fragen haben sie sich befasst, und was lehrten sie? Welchen Einfluss nahmen sie auf Politik und Gesellschaft, und inwiefern waren sie von dieser beschränkt? Wie haben sich die Wirtschaftswissenschaften gegenüber der Rechtswissenschaft, der Philosophie, und später auch der Soziologie und der Politikwissenschaft ausdifferenziert? Wie verhielt sich die Fakultät gegenüber anderen Forschungsinstitutionen in Berlin (z.B. dem Statistischen Bureau, dem Institut für Konjunkturforschung, der staatlichen Plankommission der DDR, der Freien Universität)? Wie hat sich der Berliner Ökonom vom Humboldt’schen Universalgelehrten zum heutigen spezialisierten modell-orientierten Ökonomen entwickelt?
Bei inhaltlichen Fragen wie Hinweisen wenden Sie sich bitte an Till Düppe (duppe.till@uqam.ca).